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AutorenbildAnna

Gedanken sind frei


Habt Ihr auch diesen einen Ort, von dem Ihr 1000%ig wisst, er wird Euch fertig machen, frustrieren und bis auf den Kellerboden downloaden? Also ich meine so Orte, wie das Ordnungsamt, Dienstagmorgens um 8, oder Donnerstag kurz vor 18 Uhr in der Schlange vor der Hauptpost. Jaahaahaa, da kriecht das Grauen den Nacken hoch.

Mein persönliches Waterloo ist der Supermarkt am späten Freitagnachmittag. Wtf! Klar muss ich einkaufen, gerade vor dem Wochenende, sonst wäre ja der Kühlschrank leer. Am liebsten würde ich mir alles bis in meine Turmstube liefern lassen.

Früher war das möglich. Aber da ich in einer schnuckeligen Innenstadt wohne, habe ich auf diesen Service keinen Zugriff mehr. In unser Quartier kommt der Lieferdienst nicht - keine Parkplätze.

An dieser Stelle zünde ich mal schnell eine Kerze für alle lieben Lieferboten an. Ich hab sie gemocht und grundsätzlich eine Handvoll Trinkgeld an die erstaunten Jungs weitergegeben. Die waren es nicht gewohnt, für mich war das absolut normal, jemanden somit mein Dankeschön auszudrücken.

Diese Helden sind schließlich für mich in den Supermarkt gelaufen und haben sich mit der Mischung an dummen, schlechtgelaunten oder gar schlechtriechenden, lautquäkendekinderschatznennende, dichtranrückende und einen fastmitdemeinkaufswagenüberfahrende Menschen einen Wettlauf um den besten Kassenplatz geliefert. Vom Hochbuckeln des Einkaufs bis in den dritten Stock (ohne Fahrstuhl!!) mag ich gar nicht reden.

Jungs, für mich seid Ihr die Helden des Alltags und falls Ihr es Euch überlegt: ich wohne immer noch dort und Trinkgeld gibt es auch!


Aber das war mal! Ich muss wieder selber ran!


Freitagnachmittag, fertig von der Woche steuere ich heute nicht den Supermarkt meines Vertrauens an, dort, wo mich die Biertrinkenden Damen und Herren auf dem Mäuerchen nett grüßen (wenn man nett zurück grüßt, wird man auch nicht beschimpft), dort wo die Leute so herrlich normal sind ("Käwinn hals Maul, Mama muss erst gucken!"), Käse-, Fisch-, Fleischtresen mit super Fachleuten dahinter und meiner Lieblingskassiererin, die sich pudelig freut, wenn ich ihr ein schönes Wochenende wünsche. N-E-I-N, ich fahre zum Supermarkt, der direkt am Heimweg liegt. Geht ja auch schneller.


Vor dem Haupteingang watschelt Papa mit seiner Tochter auf die Drehtür zu.

Tochter: Aba - hast du das jetzt abgeholt?

Papa im Kindersingsang: Hab ich doch gesahagt.

Tochter: Hast du das jetzt abgeholt, ja oder nein?

Papa: Hab ich im Auto schon gesahagt. - Mit einem Schokololli im Mund wäre der infantile Eindruck komplett - denke ich!

Tochter: Hast du nicht!

Papa: Hab ich dohoch!

Tochter: Hast du nicht!

Papa: Hab ich dohoch und jetzt halte ich die Drehtür ahan. - Passt zum Schokololli


Ich stehe direkt hinter den beiden und mir kriecht die Panik den Nacken hoch. Alles in mir schreit: NEIN! Ich will nicht mit den beiden in diesem Drehtürabteil bleiben, bis der Sicherheitsdienst kommt!

Zum meinem Glück verwirft der Papa seine pubertäre Idee und wir erreichen alle drei das Innere. In Gedanken überlege ich, welche Frau es mit diesem Typen aushält. Wer weiß, vielleicht ist er ja auch alleinerziehend.

Bis zum Eingang des Supermarktes sind es knappe 50 Meter. Vater und Tochter wiederholen den Dialog und ich fürchte, man kann mir meine Gedanken mittlerweile deutlich ansehen!

Vor der hellerleuchteten Gemüseabteilung bleiben beide ehrfürchtig stehen.



Vor mir klappt die automatische Flügelklappe im hektischen Stakkato auf und wieder zu. An ein Vorbeikommen ist nicht zu denken. Beide sehen irgendwas interessantes und verlassen den Eingangsbereich. HALLELUJA!

Mit geballten Fäusten in der Jackentasche schiebe ich mich an Obst und Gemüse vorbei, direkt auf die Milch/Butterabteilung zu. Neben mir steht eine Frau. Sie ist einen Kopf größer als ich (was bei meiner lichten Höhe kein Kunststück ist), dreht sich zu Seite und brüllt: "Thorbeeeen" in mein Ohr. Der Gerufene ist sofort zur Stelle und, was soll ich sagen, seine Tochter auch. Ich könnte schreien, entscheide mich dann aber für den bösen Blick. Den konnte ich schon als Kleinkind. Bringt keine Punkte, hält einem aber gewissen Menschen vom Leib. Thorben und seiner Familie ist die Butter eh zu teuer und so habe ich endlich freie Bahn. Dachte ich.



Der Zwischenraum zwischen Kühlregal und meiner Person beträgt einen knappen halben Meter. Da hinein schiebt sich ein Typ. Er winkt seine Frau/Freundin/Verlobte (was weiß ich denn) herbei und nun stehen bereits zwei Personen zwischen mir und der Ware im Kühlschrank. Irgendetwas stimmt doch nicht, entweder mit mir oder diesen Leuten. Sehe ich aus, wie die Kühlregaldeko? Ich weiß es nicht und warte geduldig, bis die beiden unentschieden weitergehen. Hastig raffe ich die Artikel aus dem Regal und bin im Endspurt auf die Kasse. Aus den Augenwinkeln sehe ich eine Bewegung von links: die Frau (späte 60er, Typ Tennagerspätlese) führt ihren Einkaufswagen stur geradeaus. Sie sieht mich, hält aber nicht an. Ich springe zur Seite, sie hebt den Kopf und kurvt weiter. Das Wort "Danke" scheint vor einiger Zeit auf dem Index gelandet zu sein.



Sie steht vor mir an der Kasse, hinter Thorben & Familie, dem Pärchen vom Kühlregal und einer Unbekannten, die verzweifelt Zeichen in Richtung ihres Mannes am Tabakstand macht. Die EC-Karte funktioniert nicht.

Geht es nur mir so? In diesen besonderen Momenten denke ich äußerst intensiv an Maschinengewehre und Handgranaten. Komisch, nich?


Vor dem Gebäude atme ich tief und bewusst ein. Es ist geschafft! Nur noch mit dem Auto vom Parkplatz kommen und ins Wochenende starten. Neben mir versucht eine Familie die Einkäufe in den Kofferraum zu stapeln. "Hast du mir nicht gesagt" - "Dohoch"


AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHRRRRRRRRRRRRRGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGG



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2 Comments

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Guest
Nov 18, 2024
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Diesen Stress umgehen wir, indem wir seit einiger Zeit unseren größeren Einkauf auf den Donnerstag verlegt haben ,in diesem Sinne ❤️ liche Grüße aus Buxtetown

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Anna
Anna
Nov 18, 2024
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Bei meinem Glück werden Thorben & Friends dann auch vor Ort sein 😅

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