Heute soll es nun endlich regnen. Heute wird alles gut und es wird endlich kälter.
Irgendwie haben wir es direkt beim Einsteigen ins Auto gemerkt: man kann das Lenkrad anfassen und sich auf die Sitze fallen lassen, ohne mit Brandblasen an den unmöglichsten Stellen wieder auszusteigen.
Unser heutiger Weg führt uns nach Volterra. Wir haben gelesen (was dachtet Ihr denn? Es ist ja schließlich auch eine Art Bildungsreise und so stecken wir unsere Nasen, falls neben Toskana-Touren und Wein Zeit bleibt, in den mitgeschleppten Baedeker!) dass es dort Alabaster-Abbau- und Verarbeitung gibt und die Etrusker das Städtchen gegründet und geformt haben. La Mama möchte dahin und -na klar- geht es dahin!!
110km bedeuten in der Toskana entschleunigte zwei Stunden Fahrzeit. Entschleunigt heißt für mich jedoch nicht entspannt. Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, hinter Leuten herzugurken, die sich nicht zwischen 35 und 85 kmh entscheiden können, die Bremse lediglich zur Dekoration eingebaut bekommen haben und gerne mal den Fuß vom Gas nehmen. Dann kommen die auf einen zugeschossen – glaubste nich!
Irgendwann hat auch die schönste Toskanastrecke ein Ende und wir erreichen Volterra. Die dunklen Regenwolken geben viel Farbe zum malerischen Blick auf die Stadt, schon von weitem. Die Parkplatzsuche ist schwierig! Alles voll! Wir kurven herum; nach zwei Stunden Fahrzeit bin ich nicht bereit, wegen eines schnöden Parkplatzes aufzugeben. Unterwegs haben wir das Knöllchen von gestern entdeckt. Toll, welche Überraschungen einem widerfahren, wenn man die Scheibenwischer nach gefühlt vier Wochen in Bewegung bringen muss. Das Knöllchen ist von gestern, satte 29 € schwer und belegt, dass das Ordnungsamt von Pitigliano auch am Samstag auf dem letzten Hinterhof aktiv ist.
Wir ergattern einen der (wirklich) allerletzten Plätze und ich würge das arme Auto zeitraubend in die Parklücke. Gottseidank ist es heute wirklich kalt – 24 Grad- so dass der atemberaubende „Aufstieg“ (es geht steil bergan) zwischen den netten Reihenhäusern einigermaßen erträglich ist.
Die engen Straßen der Stadt sind übervoll mit Menschen und exakt mit Erreichen des Stadttores beginnt es zu regnen. Das macht uns gar nichts. Wir hüpfen von Laden zu Laden und haben so eine recht merkwürdige Shoppingtour.
Was wir natürlich völlig verpeilt haben, dass Volterra an diesem Wochenende seine Stadtgründung feiert. 1398 ist dieses Städtchen entstanden und das wird mittelalterlich und laut mit Trommeln und Pfeifern begleitet. Außerdem wurde aus diesem Anlass die Innenstadt geteilt. Der interessanteste Teil liegt hinter der Absperrung und ist für 30 € zu besichtigen. Wir gehen erstmal etwas essen 😊
Den anschließenden Aufstieg zur Burg oder whatever nehmen wir kühn in Angriff. Gar nicht mal so leicht, auf den glatten Steinplatten nicht auszurutschen. Egal! Wir sind oben, freuen uns und – werden aufgehalten, von einer netten Dame in Uniform. Hier geht es nur weiter für Leute mit Ticket. Kein Problem. Wo kann man das Ticket kaufen? Ihr Daumen weist nach unten. Wir tasten uns also vorsichtig wieder nach unten, diskutieren den Preis und entscheiden uns gegen einen erneuten Aufstieg und die Besichtigung von 50% der Altstadt. Mag ein Fehler gewesen sein, aber es regnet in Abständen von zwanzig Minuten derart heftig, dass uns die kleinen Läden (und der trockene Unterstand) wichtiger sind als ein paar Leute in altmodischen
Klamotten.
Für die zweimal 30 € haben wir bereits eine gute Verwendung: toskanischer Wein für uns und eine kleine Fiesta mit Freunden daheim!
Das Gute an einer Stadtteilung ist: in einem Teil sind viele Leute, in dem anderen Teil nicht. Wir sind in dem anderen Teil und entdecken das Schild der Firma Rossi, welches uns in einen Hinterhof führt. Wir finden die Werkstatt eines Bildhauers und den dazugehörigen Shop mit zichtausend Alabasterarbeiten.
Draußen plattert es, was wir drinnen hervorragend für eine kleine Besichtigungs- und Shoppingtour ausnutzen.
Mein Geldbeutel und meine Wohnung sind zu klein, um meine Lieblingsstücke hier aus dem Laden zu tragen und mit nach Lübeck zu fahren. Aber seht selbst – ist das nicht schön??
Nebenher gibt es so viel zu entdecken, dass uns der andere Teil der Stadt echt nicht fehlt.
Die Hälfte der Stadt ist schnell umrundet und, dass die Etrusker vor uns da waren, erfahren wir
nebenher auch.
Es wird Zeit für die heimische Casa in der toskanischen Wallachei. Immerhin haben wir genügend Touristenkitsch gekauft, dass der eine oder andere Voltärer, Voltarene oder Votarusker (man hat es nie bis zu Ende erforscht) überleben kann.
Auf dem Rückweg verfahre ich mich trotz des Navis. Passiert das eigentlich außer mir noch jemanden oder bin ich mit diesem Talent alleine auf dem Planeten?
La mama bleibt still im Auto sitzen. Ich muss aussteigen und wäre gerne drei Runden drumherum gelaufen, aber eine Zigarette und die Straßenkarte tragen einiges zum Frustabbau und der Wegwiederfindung bei. Ab auf die Straße und weiter Richtung Zypressenland. Irgendwie ist uns genau jetzt nach einer Erfrischung. Wir stoppen in Castiglione d’orcia für einen Aperol. Castiglione ist ein klitzekleiner Pupsort, allerdings mit zu wenig Parkplätzen für durstige Frauen. Alles voll! Ein wenig verschnaubt düsen wir weiter und entscheiden uns letztendlich für den eigenen Wein im Kühlschrank in dem kleinen Casa von Poggio Bicchieri.
Ich bin irgendwie voll im Eimer und kann mich mal knapp auf den Teller toskanische Picis, Rotwein und die TV-Doku aus dem kalten Deutschland konzentrieren. Heute muss ich früh ins Bett.
Morgen steht Montepulciano auf dem Plan, da will ich wach sein.
Ach ja, da fällt mir noch etwas ein: An alle Leser dieses kleinen Reiseblogs: Könnt Ihr Euch vorstellen, wie anstrengend es ist??
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